Freitag, 2. August 2013

Arch Linux - Review

Das wird ein etwas längerer Post somit fange ich mit der Kurzfassung an: Arch ist cool!


Mein Background
Ich nutze schon ziemlich lange Linux sowohl am Desktop als auch am Home-Server. Während meiner Studienzeit eigentlich ausschließlich auch wenn ich für gewisse Dinge immer ein Dualboot System hatte. Als ich dann wieder mehr gezockt habe bin ich eigentlich fast nur noch unter Windows unterwegs gewesen weil das switchen lästig war. Nachdem ich davon wieder abgekommen bin war der Wechsel zurück zu Linux vorprogrammiert auch wenn die Dualboot Umgebung nicht gestorben ist.

Meine Distribution der Wahl war dabei ewig lange Ubuntu weil es super funktioniert hat. Ich bin dabei von KDE auf Gnome und dann Unity gewechselt und habe mich eigentlich auch an Unity ganz gut gewöhnt. Ubuntu hat trotzdem begonnen mich zu nerven. Es war früher 100% stabil und hat einfach funktioniert, die letzten Releases sind aber immer instabiler geworden. Nicht so, dass wirklich dauernd etwas gecrasht ist aber irgendwas war doch immer buggy und wenn man ein stabiles System will muss man fast auf den LTS Releases bleiben.

Einer der großen Vorteile von Linux ist aber, dass man eben immer cutting edge unterwegs ist. Einigen mag das egal sein aber ich will den aktuellen Kernel und zeitnahe die neuen Versionen von Anwendungen. Kann man natürlich auch unter Ubuntu erreichen aber damit verliert man den Vorteil den Ubuntu bieten soll - just working.

Der letzte nervige Punkt den ich unter Ubuntu hatte war der Suspend. Hat lange perfekt funktioniert aber dann auf einmal nicht mehr - nach dem Wakeup war das Eingabefeld für das Passwort nicht aktivierbar. Kein Weltuntergang aber nervig. Ein solches Thema ist egal aber es war immer wieder etwas. Für mich war das dann der Punkt an dem ich mich entschlossen habe etwas anderes zu nehmen.

Ich habe in der Arbeit mit RedHat und CentOS zu tun und habe mich auch mit SuSE rumärgern müssen - nichts davon kommt mir auf meinen Rechner! Debian habe ich am Laptop (altes Modell und kein Support mehr von Ubuntu) und naja cutting edge ist auch etwas anderes...

Arch Linux
Von +Marcel Otte wusste ich, dass er ArchLinux einsetzt und damit mächtig zufrieden ist. Arch ist eine rolling Distribution in der es keine Releases gibt sondern es wird laufend weiter aktualisiert und das sehr schnell! Man hat damit natürlich das Risiko, dass auch mal etwas bricht und man das fixen muss aber ok.
Der Umfang von Arch ist deutlich geringer als etwa Ubuntu und die offiziellen Repositories enthalten nicht alles was einem einfallen könnte - es gibt aber auch das Arch User Repository in dem man Pakete findet die zwar nicht im Repo sind aber für die es die notwendigen Anpassungen und Buildscripte fix fertig gibt. Man lädt das Paket, lässt es bauen und installiert es. Ist eigentlich super einfach und wenn man eine CPU mit etwas Power hat geht es auch recht zackig. Hierfür braucht man auch keine Programmierkenntnisse obwohl es natürlich hilfreich ist zu verstehen was da passiert.

Mehr Details zur Philosophie hinter Arch findet ihr unter https://www.archlinux.org/

Was man natürlich zugeben muss ist, dass Arch für interessierte Personen ausgelegt ist und das bedeutet auch man sollte seine Probleme selber lösen wollen! Man findet im wiki oder per Google Lösungen für jedes Szenario aber man muss es eben auch lesen und verstehen wollen ;) Die Community ist auch super aber wer erwartet, dass einem alles vorgekaut wird der bekommt eben auch sehr schnell ein RTFM serviert ;) Ich finde das ehrlich gesagt absolut in Ordnung so - mir ist wichtig, dass die Information gut aufbereitet findbar ist und das erfüllt Arch vollständig.

Testing
Wow der erste Kontakt mit dem Setup in einer TestVM ist richtig heftig und ich habe die VM wieder gekübelt. Man bootet in ein minimales System und ist dann in der Kommandozeile über die man sein System vorbereitet. Platten einrichten, Sprache konfiguriern, Netzwerk einrichten,... alles in der Konsole und nicht mit einem EasyCheezy Installer!
Ich glaube mein Kommentar auf G+ war in etwa "cannot be bothered" :D

Ich habe mich dann doch noch einmal hin gesetzt und mich wirklich eingelesen und durch das HowTo gearbeitet und siehe da - ein extrem sauberes und schnelles System. Ich habe noch etwas herum gespielt, verschiedene Display Manager ausprobiert und einfach getestet. Irgendwann war ich dann an dem Punkt wo ich gesagt habe "Scheiß drauf - ich probiers". Wirklich lernen tut mein neues OS eben erst wenn man es wirklich am Hauptrechner laufen hat und damit arbeitet!

Setup und Betrieb am Hauptrechner
Ich habe hier meinen Rechner schon mal gepostet und auch meinen Kampf mit UEFI also hatte ich schon etwas Bammel - der war nicht unbegründet. Arch konnte nicht direkt auf die EFI Speicherzellen schreiben was wohl an meiner etwas älteren EFI Shell gelegen ist und ich musste in die Trickkiste greifen. Das ArchWiki ist super und hat mich auch aus diesem Schlamassel befreit. Der erste Setup hat zwar definitiv länger gedauert als erhofft aber egal - up and running!

Ich habe mich für KDE als Windowmanager entschieden und ich muss sagen, mir war gar nicht mehr bewusst um wie viel mächtiger KDE gegenüber Gnome ist. Wer ein simples System will dem wird Gnome passen aber in KDE kann man einfach alles feintunen was einem nur einfällt!

Als Paketmanager verwendet Arch pacman und der kümmert sich sehr sauber um das System. Die Parameter sind mehr Parameter als bei apt aber so what (ein Upgrade wäre "pacman -Syu" anstelle "apt-get upgrade"). Was man nicht hat ist ein Software Center wie in Ubuntu aber wer des Lesens mächtig ist und mit einem Browser + Google  umgehen kann wird alles finden was er braucht.

Einen generellen Punkt möchte ich hier nochmal herausstreichen. Arch ist für Leute die Ihr System kennen wollen und dann eben auch wissen wie man Debugging macht. Ich hatte gerade wieder so einen Fall, dass ein Upgrade eine Bibliothek aktualisiert hat wobei ich mit der früheren Version ein Tool kompiliert habe mit dem ich meine Bilder importiere. Mit dem Upgrade ist das Tool gebrochen und der erste Ansatz war es einfach neu zu kompilieren was aber nicht zum Erfolg geführt hat. Wenn man dann schaut was geschrieben wird wenn man es in der Konsole startet und kapiert was das bedeutet so ist das auch recht klar - das Tool bindet eine andere Bibliothek ein die ich ebenso selber kompiliert habe und die habe ich nicht aktualisiert. Problem erkannt, recompile der Bibliothek und gut ist.

Genau solche Dinge meine ich wenn ich sage man muss sein System kennen. Selber Pakete bauen bedeutet eben auch, dass man die dann auch selber aktualisieren muss. Aber keine Angst, die meisten Dinge sind sowieso im Repository und die die man selber baut sollte man sich eben merken :D Sollte nicht dramatisch sein wenn man Dinge installiert die man verwendet.

Ich hatte speziell wegen UEFI und meinem rEFIND Boot Environment etwas Sorgen wie sich das bei einem Kernel Upgrade verhalten wird aber das war völlig unbegründet. pacman führt alle nötigen Schritte aus um nach einem Upgrade des Kernels auch die Bootimages vorzubereiten, rEFIND findet diese dann zuverlässig und schnell.

Nach recht kurzer Zeit muss ich sagen ich bin sehr happy mit ArchLinux! Im Vergleich zu Debian oder RPM Distros sind einige Befehle anders da Arch eben aktuelle Technologien einsetzt. Es gibt die klassischen runlevel mit init.d nicht sondern das wird alles über systemd gesteuert. Das ist erst mal ungewohnt aber systemd ist auch super flott und wenn man sich mal daran gewöhnt hat um Längen einfacher zu warten.
Gefehlt hat mir anfangs auch das klassische ifconfig denn das gibt es auch nicht - anstelle dessen gibt es etwa ip link up xx oder ip addr. Auch recht simpel aber anfangs eben ungewohnt.

Arch ist eben nicht Ubuntu oder Debian und damit sind die Befehle etwas anders - im Kern ist es aber auch nur ein Linux und zwar eines das man deutlich mehr selbst unter Kontrolle hat als Ubuntu. Auf der einen Seite ist es ja toll wenn das System Dinge selber macht aber man hat dann eben auch keine Ahnung wenn etwas nicht funktioniert. Bei Arch hat man jeden Dienst selber gestartet bzw. aktiviert und damit hat man dann auch eine Ahnung woran es liegt wenn etwas nicht läuft. Oder zumindest hat man eine Ahnung wo man nachschaut ;)

Ich habe mittlerweile auch meinen Homeserver auf Arch umgestellt weil es doch einfacher ist wenn beide Maschinen auf die selben Befehle reagieren. Wenn ich mal ganz viel Zeit habe werde ich auch meinen Laptop umstellen aber nachdem ich das alte Ding quasi nie verwende hat es auch keine Priorität.

Ich habe mittlerweile auch meine DualBoot Partition gekillt weil es für mich keinen Sinn macht 50GB meiner 120GB SSD für ein OS zu verschwenden das ich nicht mal boote. Da schiebe ich dann doch lieber eine meiner VMs auf die SSd und nutze dort die Performance.

Ich gebe jedoch zu, dass ich immer noch ein Windows habe das ich direkt booten kann. Es gibt immer noch Usecases wo ein Windows das direkt auf der Hardware läuft hilfreich ist - etwa ein Firmware Upgrade für die SSD. Theoretisch gibt es zwar Anbieter die das unter Linux anbieten aber das sind wenige. Meine Windows Partition ist aber nicht mal intern sondern eine externe Disk die ich per eSATA anbinden kann wenn ich es denn brauchen sollte.


Fazit
Arch Linux ist das perfekte System für Leute die gerne mit Linux arbeiten und auch etwas Erfahrung haben. Einem Anfänger würde ich das so nicht antun denn man muss sich in der Kommandozeile schon wohl fühlen. Klar kann man für die meisten Konfig files einen GUI Editor oder irgendwelche Config Tools nutzen aber einfacher geht es mit vim in der Konsole ;)

Es ist großartig dokumentiert und ich empfinde es als sehr benutzerfreundlich. Wenn man darunter versteht, dass es für alles eine Klicki bunti Oberfläche gibt dann ist das natürlich falsch aber was ich meine ist die Struktur und der logische Aufbau. Es ist nichts versteckt oder irgendwie verschleiert - wenn man etwa die Zeitzone einstellt dann linkt man die Zeitzoneninformation nach /etc/localtime was doch deutlich klarer ist als irgendwo eine Auswahl zu machen aber nicht zu wissen was jetzt passiert. Dinge wie dieses Beispiel gibt es im gesamten System, klar muss man wissen wie es geht aber dafür gibt es ja die HowTos und dann ist aber auch klar was wie warum funktioniert.

Die Performance ist großartig! Ubuntu hat deutlich mehr Last auf meinem System verursacht und auch wenn das auf meinem Rechner nicht ins Gewicht gefallen ist, so habe ich nun ein System das quasi 0% CPU braucht wenn ich nicht gerade etwas mache. Alles reagiert instant und läuft so stabil wie man es sich nur wünschen kann.

Ich habe meine neue Distro gefunden und bin happy damit!
ArchLinux FTW

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